Re: Kruemmung der Raumzeit von Norbert Dragon, 07.01.00 * Stefan Walluhn fragt > 1. In unseren Modellen benutzen wir immer eine zweidimensionale > Flaeche, die durch Koerper in Richtung der 3. Dimension gekruemmt > wird. Anders koennten wir uns das wohl kaum vorstellen. Mit etwas Gewoehnung schon: ein gekruemmter Raum muss nicht eingebettet sein. Will man gerade Linien in der Raumzeit physikalisch so gut wie moeglich definieren und waehlt man die Weltlinien freier (frei fallender) Teilchen zur Definition von Geraden, so kann man nachvollziehen, dass der Abstand dieser Geraden sich aendert, selbst wenn sie zunaechst parallel zueinander waren. Durchdenke dazu Testteilchen im Weltraum, die auf Großkreisen die Erde umrunden. Laufen sie nebeneinander auf Großkreisen um den Erdmittelpunkt mit gleichem Radius, so schneiden sich diese Großkreise zweimal pro Erdumlauf. Die geraden Weltlinien nebeneinander laufender Testteilchen pendeln umeinander. > Wie ist es aber in der Realitaet? Ein vieviel-dimensionaler Raum wird > denn da in welche Dimension gekruemmt? Ein vierdimensionaler Raum > muesste ja dann in die 5. Dimension gekruemmt werden. In der realitaet ist von einbettenden Dimensionen nichts zu messen. Zudem: mit 5 Dimensionen ist es nicht getan. Zum Beispiel ist bei einer kugelsymmetrischen Masse die Kruemmung der Raumzeit nicht durch eine vierdimensionale Flaeche in 5 Dimensionen erzeugt. Mathematiker haben gezeigt (Whitney's Einbettungssatz), dass man jede n-dimensionale Mannigfaltigkeit als Flaeche in einen 2n+1-dimensionalen euklidischen Raum einbetten kann. Dabei erhaelt diese Einbettung nur die Differenzierbarkeit, sie erhaelt normalerweise nicht die metrischen Eigenschaften. Ob es einen analogen Einbettungssatz fuer isometrische Einbettungen gibt, wuerde mich interessieren. > 2. In unseren zweidimensionalen Modellen wird der Raum gekruemmt. > Aber weshalb denn? Das ist der schwache Punkt in der "Erklaerung" der Raumkruemmung. Die Erklaerung ist nicht einfacher als das, was es zu erklaeren gilt. Daher beschreibt man Gravitation nicht dadurch, dass man Flaechen angibt, deren Kruemmung wir unterworfen sind, sondern nur durch die Metrik und die daraus folgende Kruemmung. -- Norbert Dragon dragon@itp.uni-hannover.de http://www.itp.uni-hannover.de/~dragon Aberglaube bringt Unglück. Gregor Scholten, 07.01.00: Im Artikel <855hdq$mnp$1@news03.btx.dtag.de>, "Stefan Walluhn" schreibt: >Soweit ich das verstanden habe, entsteht Gravitation durch die Kruemmung der >Raumzeit durch Masse oder Energie. genauer: durch den Energie-Impuls-Tensor. >Dabei tun sich mir zwei Fragen auf. > >1. >In unseren Modellen benutzen wir immer eine zweidimensionale Flaeche, die >durch Koerper in Richtung der 3. Dimension gekruemmt wird. Anders koennten >wir uns das wohl kaum vorstellen. Wie ist es aber in der Realitaet? Ein >vieviel-dimensionaler Raum wird denn da in welche Dimension gekruemmt? Ein >vierdimensionaler Raum muesste ja dann in die 5. Dimension gekruemmt werden. nein. Die Kruemmung des 3-dim. Raumes erfordert keinen 4-dim. Ueber-Raum, und die Kruemmung der 4-dim. Raumzeit erfordert keine 5-dim. Ueber-Raumzeit. Mit der Kruemmung der Raumzeit meint man die sog. innere Kruemmung. Diese aeussert sich in einer sog. nicht-euklidischen Metrik des Raumes bzw. nicht-minkowskischen Metrik der Raumzeit. Dadurch bedingt werden die Weltlinien von Objekten, die sich durch die Raumzeit bewegen, relativ zueinander verbogen (Gravitation). Die vielleicht etwas irrefuehrende Bezeichnung "Kruemmung" ruehrt daher, dass die "gekruemmte Raumzeit" eine Metrik hat, wie sie auch eine in eine 5. Dimension eingebettete und in dieser Dimension gekruemmte "Raumzeit" haette. >2. >In unseren zweidimensionalen Modellen wird der Raum gekruemmt. Aber weshalb >denn? Weil auf die Koerper, die wir auf die Flaeche legen, die >Erdanziehungskraft wirkt. Die Koerper kruemmen den Raum also nicht durch >ihre Masse, sondern wiederum durch Gravitation, die erst durch ihre Masse >wirken kann, einer aussenstehenden Kraft also. das stimmt, das Gummituch-Modell, in dem eine Masse eine Ausbeulung des Gummituches verursacht, ist in dieser Hinsicht falsch. Dieses Modell sollte m.E. nur mit aeusserster Vorsicht genossen werden. Der tatsaechliche Grund dafuer, dass Masse die Raumzeit kruemmt, ist der ART zufolge der, dass das eben so ist. Die ART postuliert die Gueltigkeit der sog. Feldgleichung R^ij - 1/2 R g^ij = kappa0 T^ij und laut dieser Gleichung bewirkt der Energie-Impuls-Tensor T^ij eine Kruemmung der Raumzeit, die durch R^ij - 1/2 R g^ij ausgedrueckt wird. Eine Erklaerung dafuer, warum diese Gleichung gilt, liefert die ART nicht. Es ist allerdings bei physikalischen Theorien generell so, dass es in der Theorie eine fundamentale Gleichung gibt, deren Gueltigkeit von der Theorie nicht erklaert werden kann, in der Newtonschen Mechanik ist das z.B. F=m*a, in der QM die Schroedinger-Gleichung und in der ART eben die Feldgleichung. >Gibt es im N-Dimensionalen Raum eine aussenstehende Kraft, die die >Raumkruemmung erst ermoeglicht? nein. Live long and prosper! Gregor -- "If my colleagues and I are right, we may soon be saying good-bye to the idea that our universe was a single fire-ball created in the big bang." (Andrej Linde) Andreas Slatev, 07.01.00: Kruemmung ist bloss eine abstrakte mathematische Eigenschaft, welche beschrieben wird durch die sogenannten "Kruemmungsformen" oder den "Kruemmungstensor". Motiviert ist sie zwar von den Flaechen im 3D-Euklidischen Raum, auch laesst sich die Raumzeit als 4D Riemannsche Mannigfaltigkeit in einen 10D Euklidischen Raum einbetten; aber ich wuerde nicht zu sehr an der Anschauung haengen. Das wesentliche bei der Differentialgeometrie ist, dass man sich von irgendwelchen Einbettungen und speziellen Koordinaten trennt. Man hat mit Mannigfaltigkeiten Objekte, die zwar im Kleinen ("lokal") so aussehen wie ein R^n, aber im Grossen ("global") voellig andere Eigenschaften haben koennen. Insbesondere muessen sie nicht durch ein einziges Koordinatensystem beschreibbar sein. IIRC ist in der dsp-FAQ auch etwas ueber Kruemmung drinnen. zur Raumzeit: Re Erk Jensen Daniel Arnold wrote: > > > Eigentlich nur im Vakuum, denn nur dort breitet sich das Licht > > mit c aus, sonst langsamer. Nun soll es aber komplettes Vakuum > > gar nicht geben wegen Quantenfluktuationen. Sollte die 'reale' > > Geschwindigkeit des Lichtes dann nicht knapp unter c liegen und > > die Eigenzeit demzufolge winzig klein, aber nicht null sein? > > Es gibt eine Theorie, die besagt, dass die Lichtgeschwindigkeit gerade > wegen den Quantenfluktuationen auf c beschränkt ist. > > Daniel Hübscher Gedanke. Aber müsste denn nicht dann c von der Energie der Photonen abhängen? -erk- -- Dr.-Ing. Erk JENSEN mailto:Erk.Jensen@cern.ch CERN PS/RF G00710 http://nicewww.cern.ch/~jensene CH-1211 Geneva 23 Tel.: +41 22 76 74298 Switzerland Fax.: +41 22 76 78590 Gregor Scholten, 15.01.00 nein. Dass c in materiellen Medien etwas kleiner ist als c0 (c0 = c im Vakuum), liegt daran, dass materielle Medien aus elektrische geladenen Teilchen bestehen und das Licht (da es eine EM-Welle ist) mit diesen Teilchen wechselwirkt. Im Vakuum hat man zwar Quantenfluktuationen, aber die wechselwirken nicht mit dem Licht.